„Ist da was passiert?“ – Die Olympischen Spiele der Gaffer

„Ist da was passiert?“ – Die Olympischen Spiele der Gaffer

Es gibt Momente im Leben, die die Menschheit in zwei Gruppen spalten: diejenigen, die helfen – und diejenigen, die gaffen. Und die zweite Gruppe tritt zuverlässig immer dann auf den Plan, wenn irgendwo Blaulicht blinkt. Kaum ist ein Einsatzfahrzeug mit Tatütata unterwegs, mutieren Normalbürger plötzlich zu einer Mischung aus Sherlock Holmes und Galileo Mystery: "Entschuldigung, ist da was passiert?"

Nein, Klaus, die Feuerwehr macht hier gerade eine geführte Lichtershow für Instagram-Reels.

Gaffer – die Pokémon der Katastrophe

Man muss sich das so vorstellen: Ein Unfall passiert, Menschen kämpfen vielleicht ums Überleben, und wie von Zauberhand tauchen sie auf. Gaffer. Sie erscheinen wie schlecht trainierte Pokémon. Du siehst sie nie im Alltag, aber sobald Blaulicht im Spiel ist: "GAFFER, ich wähle dich!"

Und ihr Super-Move?
• Im Weg rumstehen.
• Rettungskräfte behindern.
• Mit der Empathie eines Toastbrots dumme Fragen stellen.

Die dummen Fragen des Grauens

Lieblingsklassiker Nummer eins: "Kann ich da jetzt nicht lang?"

Natürlich, Dieter. Fahren Sie ruhig mitten durch die Rettungsgasse, vielleicht brauchen wir Ihr Auto ja als Straßensperre.

Oder mein persönlicher Favorit: "Ist da was passiert?"

Nein, der verunfallte Wagen auf dem Dach mit Rauchfahne ist Teil einer neuen Netflix-Serie, die wir gerade hier am Ortsausgang drehen. Arbeitstitel: "Fast & Furios: Kreisverkehr Drift Edition".

Warum? Einfach: Menschen lieben Katastrophen-TV

Hand aufs Herz: Wir alle haben diese morbide Neugier. Nur die einen googeln heimlich True-Crime-Podcasts, während sie Wäsche zusammenlegen, und die anderen… blockieren eine Rettungsgasse, um live dabei zu sein. Der Unterschied?

Die einen stören niemanden – die anderen bringen Menschen um. Denn ja, jedes Mal, wenn Hans-Peter meint, noch kurz aus dem Auto filmen zu müssen, warten Verletzte eine Minute länger auf Hilfe. Aber Hauptsache, das Video bekommt in der WhatsApp-Gruppe "Familienurlaub 2025" fünf traurige Emojis und einen Kommentar von Tante Erna: "Oh je, hoffentlich nix Schlimmes."

Aber die Presse darf das doch auch?!

Ja, genau, der Lieblingsspruch aller selbsternannten Hobby-Reporter: "Aber die Presse filmt doch auch…"

Hier die bittere Wahrheit: Die Presse soll das sogar. Denn ohne Journalismus gäbe es keine Berichterstattung, keine Aufklärung, keine Öffentlichkeit.

Pressefreiheit ist Grundgesetz, Klaus. Dein wackeliger Handyzoom auf halbtote Unfallopfer hingegen ist weder Recherche noch Kunst, sondern einfach nur geschmacklos.

Und noch was: Reporter stehen nicht nur am Kreisverkehr, wenn Omas Dacia gegen einen Poller kracht. Sie gehen in Kriesengebiete, halten drauf, wenn Kugeln fliegen, und riskieren ihr Leben, damit du in deinem Wohnzimmer erfährst, was wirklich in der Welt passiert. Sie zahlen manchmal den höchsten Preis – nicht für Klicks oder billige Sensationsgeilheit, sondern für Demokratie und Aufklärung.

Die Presse dokumentiert, filtert, prüft Fakten, und sorgt dafür, dass wir als Gesellschaft informiert bleiben. Du dagegen sorgst nur dafür, dass Rettungskräfte stolpern, während du das zehnte Mal versuchst, deine Insta-Story mit dem Hashtag #Drama zu versehen. Unterschied klar?

Mein Vorschlag: Gaffer-Zoo

Ganz ehrlich, ich wäre dafür, Gaffer einfach konsequent einzusperren – nicht im Knast, das wäre zu schade. Nein, in einem öffentlichen Gaffer-Zoo. Eintritt frei. Statt Löwenkäfigen gibt’s Einsatzstellen, wo diese Menschen sich gegenseitig beim "glotzen" beobachten können. Ein ewiger Spiegel ihrer eigenen Dummheit. Und wenn sie dann fragen: "Kann ich da jetzt nicht lang?" lautet die Antwort: "Doch, direkt in den Käfig."

So. Und das nächste Mal, wenn jemand am Unfallort fragt "Ist da was passiert?", wünsche ich mir, dass eine Rettungskraft einfach antwortet:
"Nein, Kollege, Sie sind gerade in der neuen Escape-Room-Attraktion gelandet. Aufgabe: Finden Sie den Ausgang, ohne uns im Weg zu stehen."