Heuchlerische Weihnachten 🎄

Heuchlerische Weihnachten 🎄

Hohoho... heuchlerische Weihnachten wünsche ich euch allen da draußen – euch, die ihr gerade mit einem halbherzigen Grinsen eure Heuchelei in rote Geschenkfolie wickelt und mit einer Schleife aus Selbständerung verziert. Denn wie jedes Jahr am 24. Dezember mutiert ihr – ja, genau ihr – zu moralischen Einhorn-Wesen. Plötzlich seid ihr alle gute, einzigartige Samariter. Oder glaubt zumindest daran, nachdem ihr euren lieblos zusammengeklauten Copy&Paste-Weihnachtsgruß an die komplette WhatsApp-Kontaktliste rausgeballert habt.

Wisst ihr, dieser Gruß, der meistens irgendwas von „Besinnlichkeit“ faselt – wobei doch nur gemeint ist: „Lass mich in Ruhe, aber vergiss bitte nicht, dass ich existiere. Danke und Tschüss.“ Ein einmaliges Event, das so spektakulär ist wie das Staffelfinale einer schlechten Reality-Show: Völlig vorhersehbar, aber man guckt es trotzdem, weil es halt dazugehört. Und zack! Das schlechte Gewissen, sich das ganze Jahr über bei niemandem gemeldet zu haben, ist – tadaa – wie durch ein Weihnachtswunder reingewaschen.

Aber halt, da geht noch mehr! Es reicht natürlich nicht, nur den digitalen Mülleimer von Freunden und Bekannten mit „persönlichen“ Weihnachtsgrüßen vollzuspammen. Nein, nein. Für die wahre Königsdisziplin der Feiertags-Heuchelei werfen viele noch ein schnell gegoogeltes Weihnachtsmeme in ihren Status. So eins mit einem schlecht gezeichneten Nikolaus, der in Comic Sans frohe Weihnachten wünscht. Denn nichts sagt mehr „Ich kümmere mich um euch“ als ein Bild, das in drei Sekunden aus dem Internet gezogen wurde, um es mit null Gefühl und null Stil zu teilen.

Ihr wisst schon, was ich meine: Diese Memes, die einen Spruch enthalten wie „Der wahre Geist der Weihnacht ist Liebe und Zusammenhalt“, während die Person, die es gepostet hat, noch vor drei Tagen in einem Facebook-Thread einen Shitstorm gegen Greta Thunberg losgetreten hat. Oder der Klassiker: "Weihnachten ist die Zeit der Familie", gepostet von jemandem, der seit drei Jahren nicht mit seinem Bruder gesprochen hat, weil der das bessere Auto fährt. Oder wie wäre es mit: "Schätzt, was ihr habt", während derjenige nebenbei eine Bestellung von unnötigem Amazon-Krimskrams abschickt. Und mein Favorit: "Liebe ist das größte Geschenk", geteilt von der Person, die ihren Partner letzte Woche wegen eines schiefen Blicks angebrüllt hat. Genau DAS ist die Magie der Weihnacht, oder? Alle tun so, als wären sie plötzlich Heilige, dabei seid ihr immer noch die gleichen Egoisten nur mit mehr Glitzer und Lametta drumherum.

Ach ja, und dann gibt es die Weihnachtsmärkte, diese friedvollen Oasen des Konsums, wo man sich mit einem Punsch in der einen Hand und der Handy-Kamera in der anderen durch Menschenmassen schiebt. Der Hauptzweck? Nicht etwa Genuss, sondern das perfekte Instagram-Foto, um allen zu zeigen, wie besinnlich man doch ist. Dass man dabei für einen überteuerten Glühwein aus einer kitschigen Tasse fast zwanzig Minuten anstehen musste? Egal. Hauptsache, der Beitrag sammelt Likes.

Und dann gibt es noch die Weihnachtsplaylist-Diktatur. Schon Anfang Dezember ballert euch jede Kaufhausanlage und jeder Radiosender ununterbrochen dieselben zwanzig Songs um die Ohren. "Last Christmas", "Jingle Bells" und wie sie alle heißen – immer und immer wieder, bis man glaubt, in einer Dauerschleife gefangen zu sein. Aber wehe, ihr wagt es, euch zu beschweren. Denn wer Weihnachtslieder kritisiert, ist natürlich der Grinch in Person.

Nicht zu vergessen: Die ach so wohltätigen Aktionen, bei denen ihr mit schlechtem Gewissen dazu gedrängt werdet, noch schnell ein bisschen Geld für einen guten Zweck zu spenden. Nicht, dass das schlecht wäre – aber vielleicht sollte man sich fragen, warum genau zu Weihnachten alle plötzlich ihr Herz für die Armen entdecken. Ist es das schlechte Gewissen oder einfach nur Gruppenzwang? Denn wenn man mal ehrlich ist: Wie viele dieser Spender denken auch im Juli daran, anderen zu helfen?

Und kommen wir doch mal zum großen Highlight der Weihnachtsüberraschung: die berühmte Geschenk-Austausch-Choreografie. Man schenkt sich Dinge, die entweder aus Verlegenheit oder Pflichtgefühl gekauft wurden. Der Gedanke dahinter? Null. Aber Hauptsache, es gibt Geschenke, denn Weihnachten ohne Geschenke ist ja wie ein Geburtstag ohne Kuchen – vollkommen undenkbar! Und dann sitzen alle da mit ihrem Mündchen voller Weihnachtsplätzchen und denken insgeheim: „Hoffentlich hat niemand gemerkt, dass ich das Duschgel-Set aus der Drogerie für 4,99 Euro von der Kasse geschnappt habe.“

Aber selbst das reicht oft nicht, um das Bild der perfekten Weihnacht zu vervollständigen. Nein, da müssen noch die Fotos her. Das obligatorische Bild des schief geschmückten Tannenbaums, der gefühlt mehr Lametta als Nadeln hat, oder das Gruppenfoto vor dem Festessen, bei dem alle lächeln, während man im Hintergrund ahnt, dass kurz vorher ein Streit darüber ausgebrochen ist, wer wo sitzen darf. Und dann gibt es noch die Königsklasse: Die Fotos von völlig übertriebenen Geschenke-Bergen, bei denen jeder sehen soll, wie "großzügig" man doch war. 🎮, 👜, 💎 und die neueste 📱-Generation – alles fein säuberlich drapiert, als wäre es eine Werbeanzeige. Hauptsache, alle wissen, wie "geil" man sich an Weihnachten selbst beschenkt hat. Denn nichts sagt mehr "frohe Weihnachten“ als purer Materialismus in UHD-Auflösung.

Am Ende bleibt übrig: Ein Berg von Verpackungsmüll, ein Kontoauszug, der nach Luft schnappt, und eine Erinnerung daran, dass der ganze Spuk in zwölf Monaten wieder von vorne beginnt. Aber hey, Hauptsache, man hat sich kurzzeitig wie ein besserer Mensch gefühlt. Wen interessiert’s, dass man an den restlichen 364 Tagen im Jahr keinen einzigen Finger krumm gemacht hat, um wirklich etwas zu bewirken? An Weihnachten – ja, da wird ein Häkchen hinter „Nett sein“ gesetzt, und man fühlt sich wie Mutter Teresa auf Speed.

Also dann, frohes Fest! Genießt eure halbherzigen WhatsApp-Grüße, eure Pflichtbesuche bei der Verwandtschaft und euren Glühwein-Kater. Denn nichts schreit mehr nach Weihnachten als die kollektive Selbständerung, die in der ersten Januarwoche wieder in sich zusammenfällt wie ein schlecht gebautes Lebkuchenhaus. Hohoho – und auf ein Neues!